Montag, 8. Oktober 2007
Teil 3: Gab es einen urchristlichen Gottesdienst?
Die Zusammenkünfte der ersten Christen waren geprägt von den Erfahrungen der Erscheinung des auferstandenen Herrn inmitten ihrer Treffen. Sie trafen sich stets in der Erwartung, dass der Herr gegenwärtig sein würde und der Heilige Geist sie entsprechend führen würde, also ohne Liturgie oder vorbereitetem Programm. Die Jerusalemer Gemeinde bestand überwiegend aus Juden, die nicht die Absicht hatten eine neue Kultusgemeinschaft zu gründen. Anfangs nahmen sie deshalb auch am religiösen Leben der Juden teil. Erst später orientierten sie sich teilweise am jüdischen Synagogen-gottesdienst. Dazu gehörten Schriftlesung, Gesang, Gebete und Leitung durch Älteste. Die Treffen in der Tempelhalle Salomos dienten hauptsächlich der evangelistischen Verkündigung. Die eigentliche Gemeinschaft der Gläubigen wurde in den Häusern gelebt und mindestens am Freitagabend gehörte auch das häusliche Sabbatmahl als Abendmahlfeier dazu. Die folgenden drei Aussagen der Apostelgeschichte sind eindeutig:
„Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten.“..... „Täglich verharrten sie einmütig im Tempel und brachen zu Hause das Brot, nahmen Speise mit Jubel und Schlichtheit des Herzens.“..... „sie hörten nicht auf, jeden Tag im Tempel und in den Häusern zu lehren und Jesus als den Christus zu verkündigen“. (Apg. 2,42.46; 5,42)

Die Versammlungen der Christen waren nicht auf einen besonderen Tag der Woche beschränkt und hatten auch keine gottesdienstliche Ordnung. Es wurde die Lehre der Apostel weitergegeben, es wurde gebetet, gemeinsam gegessen und das Abendmahl gefeiert. Diese „vier Säulen der christlichen Versammlung“, wie sie genannt werden, können in einem Treffen gewesen sein, sie können aber auch auf mehrere Versammlungen aufgeteilt gewesen sein. Einen sonntäglichen Gottesdienst mit einem liturgischem Ablauf und einer religiösen Zeremonie, wie wir es heute kennen, gab es nicht. Eine kirchliche Tradition dieser Art hatte sich erst später herausgebildet, nachdem die Gemeinde in Jerusalem konsolidiert war. In der Gemeinde in Antiochien war es sicher anderes gewesen, da die meisten Christen dort aus einem heidnischen Hintergrund kamen.
Die ersten Gemeinden im römischen Reich orientierten sich, neben den bereits erwähnten vier Säulen, an den sozialen und kulturellen Bedingungen ihres Umfeldes. Das wird deutlich in dem Konflikt zwischen judenchristlicher Tradition und dem Leben der Heidenchristen. Beim ersten Konzil der Geschichte wurde entschieden, den heidnischen Christen kein religiöses Joch aufzuerlegen. Das betraf auch die Gestaltung der Versammlungen, die frei sein sollten von religiöser Tradition.

Aus den Paulusbriefen geht hervor, dass die Versammlungen streng genommen keine Gottesdienste waren, sondern freie Zusammenkünfte, bei denen der Heilige Geist die Dynamik bestimmte. Es herrschte kein religiöser Ritus mit wiederkehrenden Zeremonien oder kultischen Handlungen. Stattdessen wurde die Atmosphäre durch wechselnde persönliche Beiträge und durch die Gaben des Heiligen Geistes bestimmt. Das Abendmahl war ein Gedächtnismahl, das nach der Anweisung Jesu oft gefeiert wurde und es war in das gemeinsame Essen eingebettet. Gebete, Lehrbeiträge und Prophetien waren nicht Teil einer Gottesdienstordnung, sondern wurden spontan geäußert. Denken wir an den ersten Korintherbrief, wo Paulus mehr Ordnung in das Chaos der Gemeindeversammlungen bringen will. Seine Anweisungen beziehen sich z.B. auf die rechte Art der Abendmahlfeier und auf die richtige Ausübung der Gaben, da bei den Korinthern ein rechtes Durcheinander herrschte, was durch Sünde und Charakterprobleme noch verstärkt wurde. Es ging ihm nicht um die Einführung einer gottesdienstlichen Liturgie, sondern um einen ordentlichen Ablauf in den Versammlungen und um einen lauteren Lebenswandel der Christen.
Im Kapitel 14 wirft Paulus einen interessanten Blick in eine solche Versammlung:
„Was ist es nun, Brüder? Wenn ihr zusammenkommet, so hat ein jeder [von euch] einen Psalm, hat eine Lehre, hat eine Sprache, hat eine Offenbarung, hat eine Auslegung; alles geschehe zur Erbauung."
Später folgen Richtlinien, nach denen die Gaben sinnvoll und zur Erbauung eingebracht werden können. Aus Kol. 4,16 geht hervor, dass auch die Briefe der Apostel bei den Treffen der Christen verlesen wurden, nachdem sie von Boten anderer Gemeinden überbracht wurden. Das Vorlesen und Anwenden auf die eigene Situation diente zur Belehrung und Auferbauung der Gemeinde.

Einen ersten Hinweis auf eine festgelegte Gottesdienstrodung finden wir in der Didache (Apostellehre, ca. 110 n. Chr.) Dort steht:
„An jedem Herrentage, wenn ihr zusammenkommt, brecht das Brot und sagt Dank, nachdem ihr zuvor eure Verfehlungen bekannt habt, damit euer Opfer rein sei.“
Die Apostellehre übermittelt uns zwar keine vollständige Gottesdienstordnung, gibt aber wichtige Hinweise - später wird die Ordnung näher erklärt:
Vater unser - Dankgebet über dem Becher - Dankgebet über dem Brot - Ausschluss der Ungetauften - Dankgebet nach der Sättigung – Maranatha - dazwischen folgt das Sündenbekenntnis und eventuell eine Predigt oder die Lesung der Briefe. (Didache 8.2- 14.1)
Die Didache wurde in der nachapostolischen Zeit geschrieben, in der die Gemeinden nach mehr Ordnung und Sicherheit suchten. Die Apostel des Herrn waren nicht mehr da und die erwartete Wiederkunft des Herrn hatte noch nicht stattgefunden. Um sich nun vor Irrlehren und vor Missbrauch zu schützen, verlangte man nach mehr Regeln für das christliche Zusammenleben und für die Versammlungen. Clemens von Rom und Ignatius von Antiochien unterstützten mit ihren Lehrbriefen diese Bestrebungen und lieferten den theologischen Unterbau für ein „Kirchenrecht“ und für eine durchdachte „Kirchenordung“, der Gemeinden im zweiten Jahhundert.

ric

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Hallo Richard,

warum meinst du, dass die ersten Christen in ihren Versammlungen keinerlei Rieten hatten? Ich denke dass es eher wahrscheinlich ist, dass zumindest die Judenchristen in ihren Versammlungen manche der Rieten aus ihrem religiösen Alltag und auch aus der Synagoge weiter geführt haben. Paulus legte ja auch wenigstens zweimal das Nasiräergelübde ab, welches mit klaren Rieten verbunden war.
Wir finden nirgends, dass solche Rieten weiter vorgeschrieben waren, das stimmt. Aber dass deshalb in den ersten Versammlungen keine vorkamen, können wir das so sicher wissen?

Gruß, Charly

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Das hab ich ja so nicht gesagt. Sicher gab es Riten, sogar schon sehr früh, z.B. in der Jerusalemer Gemeinde unter Jakobus, denn sie übernahmen einiges aus dem Judentum. In den heidchristlichen Gemeinden haben sich später auch Riten, oder besser gesagt Zeremonien eingeschlichen, besonders um das Abendmahl herum und um den entstehende Priester dienst herum. Ich denke, beim lesen der Artikel schreibe ich das auch. Natürlich die Frage ist berechtigt, sind gewisse Rituale normal und sogar wichtig - wir sollten der Frage nachgehen, ich bin mit meinen Artikeln noch nciht am Ende - es wäre gut, wenn es eine breitere Diskussion darüber geben könnte

ric

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