Montag, 10. Januar 2011
Das Reich Gottes und einfache Gemeinden, Teil 2
Das Reich Gottes und das Reich dieser Welt

In meiner Beschäftigung mit der Geschichte des Christentums in der nachkonstantinischen Zeit habe ich eine Beobachtung gemacht, die ich versuche jetzt in Worte zu fassen: Spätestens im 4. Jahrhundert war die ursprüngliche Radikalität der chrstlichen Nachfolge verlorengegangen. In der Zeit davor, also zwischen 50 und 320 n. Chr. gab es schwere Christenverfolgungen, meist in Intervallen von Jahrzehnten. Christen wurden geächtet, ausgestossen, verfolgt, gefoltert und getötet. Insgesamt gab es 8 Verfolgungswellen mit unterschiedlicher Intension. Das führte dazu, dass sich eine extrem starke Kultur der Nachfolge herausbildete. Ein echter Christ zu werden, das bedeutete damals, mit dem irdischen Leben schon jetzt abgeschlossen zu haben und bereit zum Sterben zu sein. Wörtlich war es auch das, was Jesus seinen Jüngern gesagt hatte:
„Wenn jemand mir nachkommen will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden“ (Mt. 16,24-25).

Nach dem Toleranzedikt von Mailand veränderte sich die Situation zu Gunsten der Christen und schließlich wurde durch Kaiser Theodosius I. im Jahre 380 das Christentum per Gesetz zur Staatsreligion erklärt. Ein Jahr später wurden sogar die heidnischen Götterkulte verboten. Das veränderte die Lage so sehr, dass der radikale Anspruch der Christen verloren ging und ein weltliches Christentum übrigblieb, das überall dominierte. Um das Jahr 400 war die Mehrheit der Christen davon überzeugt, dass Jesus im und mit dem römischen Imperium sein Reich auf dieser Erde aufgerichtet hatte. Dieser Gedanke war so verführerisch, dass sich kaum einer dem entziehen konnte. Als Rom im Jahre 410 von den Westgoten erobert wurde, brach für viele Christen der Traum vom Reich Gottes zusammen. Aus dieser Enttäuschung heraus schrieb der Kirchenvater Augustinus sein Buch „Vom Gottesstaat“, in dem er diesen Irrweg aufdeckte und das Bild vom Reich Gottes zurechtrückte. Er verdeutlichte damals der Kirche, dass das Reich Gottes nicht in einem irdischen Staatswesen sichtbar wird, sondern in den einzelnen Gläubigen, die sich nach den Geboten des Christentums ausrichten.

Der Untergang des römischen Reiches war nicht mehr aufzuhalten, aber das Christentum als Religion und neue Kultur hielt seinen Siegeszug unter den germanischen Völkern, es hatte sich als selbständige Macht etabliert, es war aber nicht das Reich Gottes, sondern ein neuer kultureller Überbau für den Übergang der Spätantike in das Mittelalter. Doch inmmitten dieser Zeit gab es einen neuen echten geistlichen Aufbruch unter einem Teil der Westgoten im Balkan, der an die Nachfolge Christi der ersten Jahrhunderte erinnerte. Wulfila (311- 384) übersetzte die Bibel ins Gotische und Gott setzte dadurch eine echte Missionsbewegung in Gang. Über viele Generationen hinweg kamen aus gotischen Gemeinden unermüdlich Missionare, die fast alle germanischen Stämme mit dem Evangelium erreichten. Es gab auch zwei Verfolgungen und Wulfila musste in die Verbannung flüchten. Leider war bis im 6. Jahrhundert von dieser radikalen Jesusbewegung nicht mehr viel zu spüren, zum Teil lag das an der fortschreitenden Vermischung der Germanen mit dem ehemals römischen Reich und der von Rom geprägten Chrisitianisierung.

Als im 6. Jahrundert die Franken die Oberherrschaft in Mitteleuropa gewannen, war die Mehrheit der Bevölkerung christianisiert und gehörte zur römischen Kirche. Im Jahre 498 hatte sich der Frankenkönig Chlodwig I. nach seinem Sieg über die Alamannen katholisch taufen lassen, das war ein strategisch wichtiger Schritt um später das Erbe Roms in Gallien antreten zu können. In seiner Regierungszeit leitete er Entwicklungen ein, die zur Herausbildung der mittelalterlichen Verhältnisse beitrugen. Unter christlichen Vorzeichen entstand eine gallo-römische Kultur, die unter Karl dem Großen (Kaiserkrönung in Rom 800 n. Chr.) seinen Höhepunkt erreichen sollte. Was sich im Römischen Reich abspielte, nämlich die Verbindung zwischen Kirche und Staat, wiederholte sich jetzt im Nachfolgereich der Franken. So wie Konstantin schon im römischen Reich ließ sich auch Clodwig vom Christentum überzeugen, er lernte nicht Christus kennen, sondern eine neues religiöses Wertgefüge, das ihn überzeugte. Diese Art von Christentum war nun die stärkste Bewegung, durch die im Laufe der folgenden Jahrhunderte alle Germanenvölker erobert wurden. Später, im 10. Jahrhudnert entwickelte es sich zum „Heiligen römischen Reich“, das wieder in die Nähe der Verwirklichung eines Gottesreiches auf Erden kommen sollte. Die christlichen Machthaber unterschieden sich aber bei der Wahl ihrer Mittel und Methoden in keiner Weise von den heidnischen Machthabern, ja sie übertrafen zum Teil diese mit ihrer Grausamkeit und Abgebrühtheit, das wissen wir alle.
Christianisierung ist eben nicht gleichzusetzen mit Evangelisierung und mit wahrer Mission nach dem Vorbild der ersten Apostel, es ging dabei nur um den religiösen Überbau der Völker, aber nicht um die die Person verändernde Kraft des Evangliums. Und doch löste es ein gewaltige Umstrukturierung in ganz Mitteleuropa aus, beginnend mit der Expansion des Frankenreiches und deren direktem Anschluss an das vergangene römische Reich.

Das Bestreben oberflächlichen Christentums geht auch heute in die selbe Richtung. Man ist verführt von dem Gedanken, das Reich Gottes in Strukturen umzusetzen, die in der Wahl ihrer Mittel und Methoden an den Geist dieser Zeit und dieser Welt angelehnt sind. Wir leben heute in einem „nachchristlichen Abendland“ (Postmoderne), einer Zeit, die geprägt ist von Materialismus, Vergnügungssucht, Machstreben und spiritueller Manipulation. Die Mittel und Methoden zur Ausübung desselben haben sich geändert, die grundlegenden Motive aber sind gleich geblieben. Es ist auch heute, wie damals, gut möglich, ein Christ zu sein und trotzdem geldgierig, machstrebend, vergnügungssüchtig und spriritistisch zu sein. Geld regiert nicht nur die Welt, sondern auch die Kirche und sehr viele christliche Gemeinden. Der Vatikan ist ein eigener Staat, mit dem größten prozentualen Vermögen weltweit und einem starken Engagement an der Börse. Viele Gemeindeverbände sind Imperien, in denen große Summen von Geld bewegt werden. Mit dem Glauben werden auch heute große Geschäfte gemacht.
Ähnlich ist es beim Umgang mit der Macht, wie es in der Welt ist, so geschieht es auch in den institutionellen Kirchen und Gemeinden. Dogmatisch eingemauerte Hierarchien bieten dort den Machtmenschen ein großes Feld zur Ausübung ihrer Gier, ohne es zu merken werden viele in diese Struktur hineingezogen und übernehmen das falsche Muster. Da gibt es viele kleine und größe Könige, Päpste und Fürsten, die sich ihr eigenes Reich aufbauen. Prachtvolle Gemeindegebäude, perfektes Management nach weltlichen Modellen und excellente Konsumprogramme sind ihre Markenzeichen. Eine große Masse unmündiger Christen lässt sich von diesem falschen System in den Bann ziehen und in die Irre führen. Neben den Geldskandalen machten in den letzten 30 Jahren auch viele Sexskandale Schlagzeilen. Auch das gab es schon damals im christlich- römischen und fränkischen Reich, heute geschieht es meist verdeckter. Damals wie heute wird unter den oberflächlichen Christen auch manipuliert. Die Bibel sagt, dass Manipulation Zaubereisünde ist. Es ist ein weites Feld, das auch heute in unseren Gemeinden präsent ist. Intrigen und geschickte Lügen sind die traditionelle und verborgene Form, die offene und heute populärste Form ist die Manipulation durch Prophetie und durch andere Gaben, was man charismatische Zauberei nennt.
Es gibt auch globale Bestrebungen, die in eine Richtung zielen, die mich stark an die frühe Christianisierung erinnern. Da formiert sich eine neue apostolische Bewegung, die eine Expansion des Königreiches Gottes in allen Lebensbereichen aufbauen will, als ob uns Jesus das Königreich für heute in unseren weltlichen Strukturen verheißen hätte. Da werden weltliche Strukturen mit gemeindlichen Strukturen vermischt. Schlagzeilen hat auch das „Purpose Driven Movement“ gemacht, wo auf einem seichten für jedermann leicht aufzunehmendem Level Lösungen für das Leben angeboten werden, die nicht mehr die Nachfolge Christi in seiner Tiefe bringen, sondern eine abgespeckte Version des christlichen Glaubens, den auch die Menschen in der Welt nicht als Angriff empfinden. Einher geht diese Richtung mit dem Weg einer allversöhnenden Kirche. Es hat sich in Deutschland schon eine neue ökumenische Bewegung den Weg gebahnt hat, in dem Katholiken, Evanglische Christen, Evangelikale, Pfingstler und Charismatische Gemeinden zusammengeschlossen haben, um der Welt besser dienen zu können. Es ist klar, dass das auf Kosten der Schärfe des Evangleiumsgeht und am Ende die alte Zweiteilung zwischen Christianisierung und wahrer Mission dabei herauskommt.


Teil 3 folgt

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Das Reich der Kleinsten
'Mein Reich ist nicht von dieser Welt!' sagt Jesus und weist uns zurecht: 'Was in der Welt GROSS ist, ist vor Gott eine Perversion.'
Sind die 'GROSSEN Werke' des menschengemachten Christentums für Gott nur eine gräuliche Imitation des Echten? All die Prachtgewänder aus Goldbrokat, die hohen Priesterhüte, die hohen eindrucksvollen Kathedralen, die Mega-Churches mit dem weltweit übertragenen Super-Lobpreis-Giga-Event-Power-Prediger-Star auf der erhöhten Theaterbühne sind offensichtlich durchdrungen vom Reich dieser Welt und berauscht von der eigenen aufgeblasenen Größe.
Das Reich Gottes wird im KLEINSTEN echt sein um organisch zu wachsen. Die Kleinsten werden die Größten sein ;o)

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Danke Karl- Gerd für deine Gedanken, sie sind auch meine. Wir bestärken uns gegenseitig.
Jesus verglich das Reich Gottes mit dem Sauerteig. Der breitet sich ganz klein durch Bakterien aus, zuerst ganz wenig, dann durchsäuert er den ganzen Teig und es entsteht ein neuer Teig.

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