Freitag, 31. August 2007
Ist unser Konzept des Predigens biblisch
(Teile entnommen aus den Studien von Kevin Graig)

Viele Christen sagen, dass zu einem guten Gottesdienst eine gute Predigt gehört – woher kommt eigentlich dieses Denken? Können wir das im NT finden? Nein, denn es kommt direkt aus der griechischen- römischen Kultur der ersten Jahrhunderte nach Christus.
Wenn wir in unseren Bibelübersetzungen etwas über das „Predigen“ lesen, dann bezeichnet es das „Evangelisieren“ bzw. das „Aufrufen zur Buße“. Wenn Paulus vom Predigen sprach, dann meinte er „Herolden“ bzw. „Verkündigen“, bei dem es darum ging, den Herrschaftsanspruch Gottes auszurufen und die Zuhörer zur Umkehr aufzufordern. Es war die Verkündigung des Reiches Gottes, zu der auch Jesus seine Jünger aufforderte. Diese Art der Ansprache können wir nicht mit dem Predigen vergleichen, das wir aus unseren Gottesdiensten kennen. Die Verkündigung war an Heiden und an zurückgefallene Christen gerichtet, aber nicht an die Versammlung der Gläubigen. Zur Erbauung der Christen diente die Lehre (s. Röm. 15,4) und es war die Aufgabe aller Gläubigen, sich gegenseitig zu belehren. Darüber hinaus galt die Apostolische Lehre und die Prophetische Botschaft noch als eine besondere Sache, das war jedoch keine Verkündigung dem vorher beschriebenen Sinn, sondern eine „Predigt-lehre“, die der Zurüstung und Auferbauung der Gläubigen in der Gemeinde diente.


Das Konzept des Predigens, wie wir es kennen, wurde schon im 2. Jahrhundert von vielen Gemeinden übernommen. Leider trug es nicht zum Wachstum, sondern eher zur Stagnation der Gemeinden bei, weil der Gläubige dadurch entmündigt wurde. Es schuf die Idee, dass einfache Christen nicht in der Lage seien, die Tiefen des Wortes allein zu verstehen, geschweige denn, sie zu lehren. Parallel zu dieser Entwicklung wurde auch die Form der Gemeindeleitung langsam verändert. War es bisher üblich, dass eine Gruppe von Ältesten die Gemeindeleitung gemeinsam ausübte, so gab man jetzt der Ein- Mann- Leitung durch nur einen Bischof den Vorrang. Er trug nun die letzte Verantwortung in der Gemeinde und war den anderen Ältesten übergeordnet. Als alleiniger Stellvertreter Gottes in der Gemeinde war das Predigen seine Hauptaufgabe. Dadurch wurde ein neues Priesteramt für die Gemeinde des Neuen Testamentes geschaffen. Die Aufgabe der „Wanderprediger, der reisenden Apostel, Propheten und Lehrer, apostolisch- prophetische Lehre in die Gemeinde hineinzugeben, wurde allmählich durch das Bischofsamt und durch den Katecheten (ausgebildeter theologischer Lehrer) ersetzt.

Überall im Römischen Reich gab es damals Dichter, Poeten, Staatsmänner und Redner, die an Seminaren, Schulen und in öffentlichen Auditorien vor einem anspruchsvollen Publikum Vorträge hielten. Manche von ihnen reisten im ganzen Reich umher und hatten dadurch einen lukrativen Verdienst. Gute Reden waren sehr beliebt und überall verbreitet, in der Regel waren es abstrakte und theoretische Lehren und Spekulationen, die einem anspruchsvollen Publikum vorgetragen wurden. Die gute rhetorische Rede galt auch als Vorbild für die Predigt im Gottesdienst. Die Kirche übernahm damit nicht nur die Autoritäts- und Organisationsstruktur der Welt in der sie lebte, sondern auch die Art der Rede und den Vortragsstil der damals beliebt war. Das griechische Ideal von Weisheit, Bildung und schöne Rede wurde zum Vorbild für das Predigen in der Versammlung der Christen.

Die im 2.Jahrhundert aufblühenden Christlich- theologischen Schulen in Antiochia und Alexandria orientierten sich mehr und mehr am Ideal der vorherrschenden Philosophie des griechisch- romanischen Humanismus ihrer Zeit. Ihre Vorbilder waren Philosophen und Gelehrte, die in Vortrefflichkeit der Rede und mit großem Allgemeinwissen ihre Lehren über die Welt, über die Gesellschaft und über die vorherrschende Moral der damaligen Zeit verbreiteten. Viele unserer noch heute aktuellen christlichen Denkstrukturen haben dort ihre Wurzeln. Es entwickelten sich in der christlichen Welt nichtbiblische Denkmuster mit synkretischen Elementen, die bis in unsere Zeit hineinreichen. So z.B. die verschiedenen Lehrmeinungen über die Gottheit Jesu und vieles mehr.


Das Studium der Theologie entstand damals als eine neue wissenschaftliche Disziplin, zu der auch die Predigtvorbereitung, Grammatik und Rhetorik gehörte. Bekannte Kirchenväter wie Himerius, Basilius, Chrysostomos oder Ambrosius folgten dem griechischen Trend der Zeit. Ihre Predigten waren gut vorbereitete Reden auf hohem intellektuellem Niveau mit ausgefeilter Rhetorik im Stil der griechischen Philosophievorlesungen und ersetzten die direkte Wortbetrachtung. Viele der sophistisch- christlichen Prediger waren auch im Reisedienst, überall wo sie sprachen bekamen sie Applaus und Geld für ihren Unterhalt. Bei vielen dieser Prediger stand im Mittelpunkt nicht mehr Christus, sondern humanistisches und gnostisches Gedankengut. Der Einfluss auf die Christen war verheerend und die vom Heiligen Geist inspirierte und prophetische Botschaft wurde mehr und mehr verdrängt. (Kommt uns das irgendwie bekannt vor?)

ric

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Hallo Richard,

was bedeutet das jetzt für unsere Gemeinden konkret? Keine Predigten mehr in größeren Veranstaltungen?

Gruss, Charly

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in kleineren Veranstaltungen, wie den Treffen der einzelnen kleinen Hausgemeinden - in den größeren ist die apostolische Lehre, die prophetische Botschaft und wenn es eine evangelistische Veranstaltung ist, das Herolden gefragt

ric

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Apostolische Lehre
Auch die "apostolische Lehre" sah bei den ersten Christen vermutlich anders aus, als wir uns das heute vorstellen. Ich kann zwar kein Griechisch, liess mir aber sagen, dass z.B. das Wort, welches in Apostelgeschichte 20,7 für die Rede von Paulus verwendet wird, "dialegomai" heisst . Es handelte sich also mehr um einen Dialog als um einen Vortrag.

Gruss
Jürg

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Das Wort
Hallo RIC,

dieser Beitrag hat mir von Inhalt sehr gut gefallen. Warum? Weil er den Punkt trifft, wie die Predigten damals aussahen und wie sie heute gehalten werden. Dazu noch die Ergänzung der Entwicklung. TOP!

Kochy

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