Mittwoch, 21. Dezember 2011
Aus der Geschichte Lernen.
risced, 16:13h
Viele der Überzeugungen von Christen, die sich zur allgemeinen Hauskirchenbewegung (Hausgemeinden, Einfache Gemeinden) halten sind nicht neu. Es gab mehrere Bewegungen noch in den letzten Jahrhunderten, in denen ganz ähnlich gedacht wurde und Gemeinde auf eine ähnliche Weise gelebt wurde. Einige davon möchte ich mal näher betrachten und aufzeigen, was aus ihnen geworden ist:
1. Die Bewegung der Brüdergemeinden.
Die Brüdergemeinden entstanden um 1830 als eine offene Bewegung um Georg Müller und Robert C. Chapman und als eine geschlossene Bewegung um J.N. Darby, der die Bewegung mit seinen Lehren am stärksten prägte.
Darby war der Meinung, dass alle kirchlichen Systeme, damit meinte er die Staatskirchen und die Freikirchen, von Gott abgefallen waren. In ihnen gäbe es jedoch noch einen gläubigen Überrest von wiedergeborenen Gläubigen, die zum unsichtbaren Leib Christi gehörten. Diese wahren Gläubigen sollten herausgerufen werden, die kirchlichen Systeme zu verlassen, um sich, wie es in Mt. 18,20 heißt, im Namen Jesu zu versammeln. Wer als wahrer Christ noch zu einer der Denominationen gehöre, unterstütze damit die Spaltung des Leibes Christi, und lebe damit in Sünde, die von Gott trennt.
Darby wollte keine neue Denomination begründen, er wollte auch nicht die beste Gemeinde schaffen, er wollte lediglich die wiedergeborenen Christen herausrufen und sie in kleinen Gruppen versammeln, das war sein ehrliches Anliegen. Da er wusste, dass sicher nicht alle diesem Aufruf folgen würden, prägte er die Auffassung, daß man am Tisch des Herrn nur teilnehmen könne, wenn man sich bei den „Brüdern“ versammelte. Meiner Meinung nach ging er schon hier entschieden zu weit und lenkte die Bewegung in eine falsche Richtung, die sich später auswachsen würde.
Die Versammlungen der Brüder sollten außerhalb der bekannten Kirchen und Gemeinden stattfinden, sie sollten keinen neuen Namen bekommen und keine Mitgliederlisten führen. Die Organisation der Versammlungen sollte auf ein Minimum gehalten werden, alle Brüder wurden als gleich erachtet, es gab keinen Pastor oder Gemeindeleiter. Man wollte sich in der Versammlung und beim Gottesdienst allein vom Heiligen Geist führen lassen.
Die Brüder wollten unbedingt vermeiden, dass die Bewegung wieder zu einem organisierten Kirchensystem wird und die Entstehung einer neuen Denomination sollte verhindert werden.
Später wurde aber sichtbar, dass die Brüderbewegung genau dadurch ihre unverkennbare Identität bekam, die sie von allen anderen christlichen Gruppierungen deutlich unterschied. Ihre starke Absonderung lies sie im Laufe der Zeit zu einer elitären Gemeinderichtung werden, die mehr und mehr denominationelle Züge annahm. Später, unter dem Druck des „Dritten Reichs“ sah sich die Bewegung gezwungen, sich stärker zu organisieren und einen offiziellen Namen anzunehmen. Heute stellt sich die große Mehrheit der einstigen Bewegung nach Außen als eine offene Denomination dar, die die Zusammenarbeit mit den anderen Denominationen sucht.
In der Unterhaltung mit vielen Vertretern von Hauskirchen, Hausgemeinden, einfachen Gemeinden erlebe ich oft ähnliche Grundsätze und Gedanken, wie sie bei der Bewegung der Brüdergemeinden vorkamen: „Das Heraustreten aus den Denominationen, das Versammeln im Namen Jesu (Mt.18,20), das Verhindern wollen von Organisationsstrukturen und Namen“ und vieles mehr. Manches davon ist halte ich für richtig, anderes erscheint mir dann auch gefährlich. So entsteht bei mir z.B. die Frage, ob es richtig ist Christen zu veranlassen, ihre insitutionellen Gemeinden zu verlassen, um sich der Bewegung einfacher Gemeinden anzuschließen. Dann frage ich mich auch, wo und wann es richtig ist, Organisation und Struktur zu vermeiden, kann Organisation und Struktur nicht auch ein Ausdruck des Heiligen Geistes sein.
Eine Besinnung auf ein ausbalanciertes Glaubens- und Gemeindeverständnis erscheint mir deshalb als ratsam. Ich meine, dass es auch gut wäre, wenn Verantwortliche von einfachen Gemeinden (Hauskirchen) hier und da zusammenkommen würden, um solche Dinge zu besprechen.
Ric
1. Die Bewegung der Brüdergemeinden.
Die Brüdergemeinden entstanden um 1830 als eine offene Bewegung um Georg Müller und Robert C. Chapman und als eine geschlossene Bewegung um J.N. Darby, der die Bewegung mit seinen Lehren am stärksten prägte.
Darby war der Meinung, dass alle kirchlichen Systeme, damit meinte er die Staatskirchen und die Freikirchen, von Gott abgefallen waren. In ihnen gäbe es jedoch noch einen gläubigen Überrest von wiedergeborenen Gläubigen, die zum unsichtbaren Leib Christi gehörten. Diese wahren Gläubigen sollten herausgerufen werden, die kirchlichen Systeme zu verlassen, um sich, wie es in Mt. 18,20 heißt, im Namen Jesu zu versammeln. Wer als wahrer Christ noch zu einer der Denominationen gehöre, unterstütze damit die Spaltung des Leibes Christi, und lebe damit in Sünde, die von Gott trennt.
Darby wollte keine neue Denomination begründen, er wollte auch nicht die beste Gemeinde schaffen, er wollte lediglich die wiedergeborenen Christen herausrufen und sie in kleinen Gruppen versammeln, das war sein ehrliches Anliegen. Da er wusste, dass sicher nicht alle diesem Aufruf folgen würden, prägte er die Auffassung, daß man am Tisch des Herrn nur teilnehmen könne, wenn man sich bei den „Brüdern“ versammelte. Meiner Meinung nach ging er schon hier entschieden zu weit und lenkte die Bewegung in eine falsche Richtung, die sich später auswachsen würde.
Die Versammlungen der Brüder sollten außerhalb der bekannten Kirchen und Gemeinden stattfinden, sie sollten keinen neuen Namen bekommen und keine Mitgliederlisten führen. Die Organisation der Versammlungen sollte auf ein Minimum gehalten werden, alle Brüder wurden als gleich erachtet, es gab keinen Pastor oder Gemeindeleiter. Man wollte sich in der Versammlung und beim Gottesdienst allein vom Heiligen Geist führen lassen.
Die Brüder wollten unbedingt vermeiden, dass die Bewegung wieder zu einem organisierten Kirchensystem wird und die Entstehung einer neuen Denomination sollte verhindert werden.
Später wurde aber sichtbar, dass die Brüderbewegung genau dadurch ihre unverkennbare Identität bekam, die sie von allen anderen christlichen Gruppierungen deutlich unterschied. Ihre starke Absonderung lies sie im Laufe der Zeit zu einer elitären Gemeinderichtung werden, die mehr und mehr denominationelle Züge annahm. Später, unter dem Druck des „Dritten Reichs“ sah sich die Bewegung gezwungen, sich stärker zu organisieren und einen offiziellen Namen anzunehmen. Heute stellt sich die große Mehrheit der einstigen Bewegung nach Außen als eine offene Denomination dar, die die Zusammenarbeit mit den anderen Denominationen sucht.
In der Unterhaltung mit vielen Vertretern von Hauskirchen, Hausgemeinden, einfachen Gemeinden erlebe ich oft ähnliche Grundsätze und Gedanken, wie sie bei der Bewegung der Brüdergemeinden vorkamen: „Das Heraustreten aus den Denominationen, das Versammeln im Namen Jesu (Mt.18,20), das Verhindern wollen von Organisationsstrukturen und Namen“ und vieles mehr. Manches davon ist halte ich für richtig, anderes erscheint mir dann auch gefährlich. So entsteht bei mir z.B. die Frage, ob es richtig ist Christen zu veranlassen, ihre insitutionellen Gemeinden zu verlassen, um sich der Bewegung einfacher Gemeinden anzuschließen. Dann frage ich mich auch, wo und wann es richtig ist, Organisation und Struktur zu vermeiden, kann Organisation und Struktur nicht auch ein Ausdruck des Heiligen Geistes sein.
Eine Besinnung auf ein ausbalanciertes Glaubens- und Gemeindeverständnis erscheint mir deshalb als ratsam. Ich meine, dass es auch gut wäre, wenn Verantwortliche von einfachen Gemeinden (Hauskirchen) hier und da zusammenkommen würden, um solche Dinge zu besprechen.
Ric
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christlicheraussteiger,
Donnerstag, 17. Mai 2012, 18:07
Ich möchte hier kommentieren, weil ich in der Zwischenzeit ebenfalls einigen historischen Daten zu Darby nachgeforscht habe. Allerdings in anderem Zusammenhang. Darby hat ja noch ein weiteres faules Ei gelegt, nämlich die Theologie des Dispensationalismus.
(http://christlicheraussteiger.wordpress.com/2012/05/17/der-dispensationalismus-theologie-aus-zweifelhafter-quelle/)
Was das Problem der Exklusivität usw. betrifft, so ist für mich die Frage noch offen, was für eine Lehre wir aus dieser Geschichte ziehen sollen. Sollen wir überhaupt jeden Versuch aufgeben, neutestamentliche Gemeinde zu bauen, und uns wahllos in kleinen informellen Grüppchen treffen? (Tatsächlich war das so ungefähr die Schlussfolgerung, die Darby selber zog - obwohl sein späteres Verhalten dieser Schlussfolgerung widersprach. Er schrieb, Gemeinde im neutestamentlichen Sinn hätte aufgehört zu existieren, sobald die Apostel nicht mehr da waren.) - Sollen wir weiter in offensichtlich unbiblischen Gemeinden verbleiben oder dorthin zurückkehren, damit wir nicht "exklusiv" und "abgesondert" werden? (Was in letzter Konsequenz bedeuten würde, die Reformation zu widerrufen und katholisch zu werden - eine Schlussfolgerung, die den evangelikalen Vertretern dieser Idee meistens nicht bewusst ist.) - Oder sollen wir den (wohl übermenschlichen) Versuch unternehmen, im Gemeindebau sämtliche Fehler zu vermeiden, die von historischen Vorgängern vor uns begangen wurden? - Oder vielleicht eher dennoch Gemeinde bauen, auch mit allen möglichen Fehlern, weil das immer noch besser ist, als gar keine Gemeinde zu bauen? (Das wäre so etwa die Haltung John Wesleys gewesen, der gebetet haben soll: "Herr, sende uns wieder die alte Erweckung, aber ohne alle ihre Fehler! Doch wenn das nicht möglich sein sollte, dann sende sie uns auch mit allen Fehlern, denn wir brauchen sie!")
(http://christlicheraussteiger.wordpress.com/2012/05/17/der-dispensationalismus-theologie-aus-zweifelhafter-quelle/)
Was das Problem der Exklusivität usw. betrifft, so ist für mich die Frage noch offen, was für eine Lehre wir aus dieser Geschichte ziehen sollen. Sollen wir überhaupt jeden Versuch aufgeben, neutestamentliche Gemeinde zu bauen, und uns wahllos in kleinen informellen Grüppchen treffen? (Tatsächlich war das so ungefähr die Schlussfolgerung, die Darby selber zog - obwohl sein späteres Verhalten dieser Schlussfolgerung widersprach. Er schrieb, Gemeinde im neutestamentlichen Sinn hätte aufgehört zu existieren, sobald die Apostel nicht mehr da waren.) - Sollen wir weiter in offensichtlich unbiblischen Gemeinden verbleiben oder dorthin zurückkehren, damit wir nicht "exklusiv" und "abgesondert" werden? (Was in letzter Konsequenz bedeuten würde, die Reformation zu widerrufen und katholisch zu werden - eine Schlussfolgerung, die den evangelikalen Vertretern dieser Idee meistens nicht bewusst ist.) - Oder sollen wir den (wohl übermenschlichen) Versuch unternehmen, im Gemeindebau sämtliche Fehler zu vermeiden, die von historischen Vorgängern vor uns begangen wurden? - Oder vielleicht eher dennoch Gemeinde bauen, auch mit allen möglichen Fehlern, weil das immer noch besser ist, als gar keine Gemeinde zu bauen? (Das wäre so etwa die Haltung John Wesleys gewesen, der gebetet haben soll: "Herr, sende uns wieder die alte Erweckung, aber ohne alle ihre Fehler! Doch wenn das nicht möglich sein sollte, dann sende sie uns auch mit allen Fehlern, denn wir brauchen sie!")
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