Freitag, 14. Oktober 2011
Die Gemeinde in Korinth und die Versuchung zum Aufbau einer hierarchischen und zentralisierten Gemeindestruktur (Teil 1)
Etwa um das Jahr 51 n. Chr. kam Paulus auf seiner zweiten Missionsreise von Athen aus nach Korinth und hielt sich eineinhalb Jahre in der Stadt auf (Apg 18,11ff). Er traf dort Aquila und Priszilla, die sich einige Jahre zuvor hier angesiedelt hatten, weil sie als jüdische Christen von Kaiser Claudius aus ihrer Heimatstadt Rom vertrieben wurden. Sie waren Zeltmacher und betrieben ihr Handwerk jetzt in Korinth. Paulus, der denselben Beruf erlernt hatte, traf sie und arbeitete ein zeitlang mit ihnen. Eine erste Hausgemeinde entstand, die Paulus als Basis für missionarische Aktivitäten in der Synagoge nutzte.
Nachdem Silas und Timotheus aus Mazedonien nachgereist kamen, konzentrierte sich Paulus voll auf die Mission und es gelang ihm etliche zu Christus zu führen. Nachdem aber viele religiöse Juden widerstrebten, sonderte sich Paulus von der Synagoge ab und traf sich mit den Gläubiggewordenen im Haus des Titius Justus, das direkt neben der Synagoge stand. Auch Krispus, der Vorsteher der Synagoge kam mit ihnen. Viele Korinther wurden in dieser Zeit gläubig und ließen sich taufen und bildeten den Grundstock der neuen Gemeinde in Korinth.

Diese Gemeinde war kein homogenes Gefüge, sondern bestand aus verschiedenen Gruppen, die sich in privaten Häusern trafen. Folgende Hausgemeinden können anhand der Erwähnungen des Paulus angenommen werden:

1. Paulus nennt zunächst das Haus des Stephanas in Korinth. Er und seine Hausgenossen waren die ersten Gläubigen in Achaia. Nachdem Paulus sie getauft hatte, stellten sie sich voll für den „Dienst in der Gemeinde“ zur Verfügung (1. Kor. 1, 16; 16,15).
2. Eine der ersten Versammlungen gab es auch im Haus des gottesfürchtigen Titius Justus neben der Synagoge (Apg.18,7)
3. Krispus und sein Haus in Korinth kam dazu (Apg.18,8)
4. In seinen Grüßen an die Römer nennt Paulus die Hausgemeinde im Vorort Kenchräa am Hafen von Korinth (Röm.16.1)
5. Aquila und Priszilla setzen ihre Berufung um und öffnen auch in Korinth wieder ihr Haus für die Gemeinde (Röm.16.3-5/ 1.Kor.16.19)
6. Von den Hausgenossen der Chloe in Korinth erhält Paulus später wichtige Informationen über den Zustand der Gemeinde (1.Kor.1.11)
7. Als Paulus in Korinth seinen Brief an die Römer schreibt, nennt er Gajus, in dessen Haus er gerade zu Gast ist. Das Haus wurde auch für Treffen der Gemeinde genutzt. (Röm.16,23)

Korinth war eine pulsierende Hafenstadt mit etwa 100000 Einwohnern. In ihr gab es extreme sozialen Gegensätze und eine große ethnische und religiöse Vielfalt. In Griechenland war sie bekannt wegen ihrer Sittenlosigkeit. Gefördert durch die römische Politik wurde sie zum Dreh- und Angelpunkt zwischen dem westlichen und dem östlichen römischen Reich.
Natürlich wurde dieser Einfluss auch in der jungen und unreifen Gemeinde sichtbar.
Das Evangelium konnte in Korinth aufgrund der Weltoffenheit ihrer Einwohner leicht Fuß fassen. Von anfangs 8 bis 10 Personen wuchs die Gemeinde in kurzer Zeit auf vermutlich 100 bis 200 Personen an. Es gab kleine Versammlungen in den privaten Häusern und es gab größere gemeinsame Treffen bei denen Christen aus den verschiedenen Hausversammlungen zusammen kamen. Wahrscheinlich war es Gajus, der sein Haus für übergreifende Gemeindetreffen auf Netzwerkebene zur Verfügung stellte, denn es gibt Hinweise darauf, dass sein Haus eine Art Herberge für Durchreisende war.

Die sozialen Gegensätze der Christen in der korinthischen Gemeinde waren sehr groß. Es ist anzunehmen, dass die einzelnen Hausgruppen diese Unterschiede widerspiegelten und die Tendenz zur Abgrenzung vorhanden war. In der Gemeinde gab es Leute aus der Oberschicht (Stadtkämmerer, Synagogenvorsteher, Politiker) und es gab Sklaven (Hafenarbeiter, Prostituierte u. a.). Die starken Unterschiede, die Mentalität und die Unreife der Christen führten zu Unordentlichkeit und fleischlichem Handeln. Hinzu kam der Einfluss von Außen durch verschiedene christliche Persönlichkeiten, wie Paulus, Petrus und Apollos, die unterschiedliche Aspekte vertraten. Was als Vielfalt in der Ergänzung zu einer Harmonie werden sollte, führte durch die Unreife der Gläubigen leider zu Streit und Verwahrlosung. Als offene Großstadtgemeinde waren sie gewohnt, nach dem Lustprinzip sich das zu suchen, was ihnen am besten gefiel, das förderte zusätzlich die Uneinigkeit und Gespaltenheit der Gemeinde. Man weiß, dass Paulus neben den zwei Briefen an die Gemeinde noch andere Briefe schreiben musste, um die Probleme zu lösen. Außerdem stand er mit verschiedenen Leuten vor Ort in Kontakt um seinen Einfluss geltend zu machen und den Streit in der Gemeinde zu schlichten.
Obwohl es Paulus mit Hilfe des Titus gelang, die Streitigkeiten zu befrieden und der Unordnung erfolgreich entgegenzuwirken, blieben diese Probleme unterschwellig weiter vorhanden und wurden zu einem negativen Charakter in der Gemeinde der an die nachfolgende Generation weitergegeben wurde.

Einige Jahrzehnte nach dem Tode des Paulus sieht sich Clemens von Rom, ein Bischof der dortigen Gemeinde (92- 101 n.Chr.) veranlasst, in die immer noch vorhandenen Streitigkeiten der Korinther erneut einzugreifen. Anders wie Paulus, der eine „charismatische Gemeindestruktur“ mit der Gemeindeleitung durch ein Team von Ältesten vertrat, bringt Clemens seine Vorstellung von Gemeindeleitung ein. Er war überzeugt, dass die Gemeinde in ihrer Struktur vorbildlich sein muss, um keinen Anstoß in der Gesellschaft zu erregen. Er sah die staatliche Obrigkeit des Römischen Reiches als Vorbild für die Gemeinde und meinte, dass eine hierarchische Ordnung mit nur einem Führer an der Spitze unbedingt notwendig sei. Deshalb empfahl er der Gemeinde, die Streitigkeiten unter den Ältesten beizulegen und sich einen aus ihrer Mitte als Leiter zu wählen. Es solle als Bischof zwischen Gott und der Gemeinde als Vermittler stehen. (siehe 1. Clemensbrief)
Ähnlich wie Ignatius von Antiochien im Osten des Reiches, vertrat Clemens in seinen Lehren die Idee des „monarchischen Episkopaten“ (königlicher Bischof mit Beamten). Sie vertraten auch die Aufteilung der Gemeinde in Kleriker (berufene Geistlichkeit) und Laien (allgemeines Volk der Christen). In der nachapostolischen Zeit setzte sich diese Gemeindestruktur immer mehr durch. Der Mangel an Leitung durch Apostel und Propheten wurde dann durch die Kirchenhierarchie ausgeglichen. Ab dem 2. Jahrhundert wird Korinth als Bischofsitz erwähnt, später weitete sich das noch auf einen Metropolitensitz aus.

Ric

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