Sonntag, 18. September 2011
Entwicklung der Kirchenhierarchie
Die christlichen Gemeinden des 1. Jahrhunderts waren junge wachsende Gemeinden, in denen sich Kirchenordnungen und Dogmen noch nicht entwickelt hatten. Weder Jesus noch seine Jünger hatten die Absicht ein bestimmtes Modell von Gemeinde und Leitungsstruktur zu propagieren. Die Gemeinde war der Leib Jesu, ein geistlicher Organismus, der in sich vollständig war und in seiner Struktur durch den Heiligen Geist geformt und gesteuert wurde. Aus den Briefen des Neuen Testaments können wir ableiten, dass neben den von Jesus ausgewählten Aposteln nur Älteste und Diakone beauftragt waren der Gemeinde als Verantwortungsträger zu dienen. Unter der Leitung des Heiligen Geistes hatte sich eine geistliche Ordnung mit einigen Grundpfeilern herauskristallisiert.
Kraft ihrer von Gott gegebenen Autorität hatten die ersten Apostel, Propheten und Lehrer diese Ordnung bestätigt und in vielen Gemeinden gelehrt. Tatsächlich gehören die Ausführungen über die Verantwortung der Ältesten und Diakone zu den Themenbereichen, die im Neuen Testament am gründlichsten beleuchtet werden.

Insgesamt war die Gemeindeordnung einem Wandel unterworfen. So gab es in den ersten Jahren keine Leitungsstruktur, die Gemeinde wurde ausschließlich von den Aposteln beaufsichtigt, die von Jesus berufen waren. Nach dem Ablauf von einigen Jahren wurden Diakone eingesetzt, um den gestiegenen Arbeitsaufwand besser bewältigen zu können und um eine Arbeitsteilung zu schaffen. Etwa 10 bis 15 Jahre später gab es auch Älteste, die mit den Aposteln in enger Zusammenarbeit standen, wenn es um die zukünftige Ausrichtung der Gemeinde ging (z.B. Apg.15).
Die Gemeinde des 1. Jahrhunderts kannte keine Leitungshierarchie und keine Aufteilung in Priester und Laien. Sie war durch und durch vom heiligen Geist geleitet und wurde von den geistlichen Gaben und Diensten ihrer Glieder unterstützt. Jesus selbst war das Haupt des Leibes und der oberste Hirte und Leiter seiner Nachfolger. Aus den Reihen der Jünger gab es eifrige und geistlich starke Männer und Frauen, die sich für die Belange der ganzen Gemeinde aufopferungsvoll hingaben. Sie wurden als Vorbilder angesehen, die im Laufe der Zeit eine natürliche Autorität entwickelten, die überzeugend war. Einige von ihnen wurden während des Aufbaus der Gemeinde als Älteste anerkannt und geehrt.

Wenn Petrus und Paulus sich in ihren Briefen an eine Gemeinde wandten, dann sprachen sie meistens auch die Ältesten an. Immer wurden diese in der Mehrzahl genannt, nie lesen wir von einer einzelnen Person, die als Gemeindeleiter oder Priester der Gemeinde angesprochen wurde. Sie verwendeten meist drei Begriffe, Älteste, Hirten und Aufseher synonym und kombinierten sie miteinander.
Siehe 1.Petr. 5,1-3, Beispiel aus Apg.20.17.28, Revidierte Elberfelder Übersetzung:
Von Milet aber sandte er nach Ephesus und rief die Ältesten (griech. presbyteros) der Gemeinde herüber. …. (V.17)
(Er sprach zu ihnen …) „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde (griech. poimnion), in welcher der Heilige Geist euch als Aufseher (griech. episkopos) eingesetzt hat, die Gemeinde Gottes zu hüten (= hirten - griech. poimaino) (V. 28). Paulus benutzt hier die Worte Ältester, Aufseher und Hirte und meint doch dieselbe Person.

In der nachapostolischen Zeit gerieten die Ältesten und Verantwortlichen der Gemeinden immer mehr unter Druck. Die Autorität der Apostel stand nicht mehr zur Verfügung, Irrlehren und Schwärmertum breiteten sich aus und die Wiederkunft Jesu hatte sich noch immer nicht ereignet. Um die Gemeinden zu schützen und die nächsten Jahrzehnte abzusichern musste eine solide Gemeindeordnung geschaffen werden. Etwa um 100 n. Chr. gelang es Clemens von Rom und Ignatius von Antiochien, die Gemeinde davon zu überzeugen, dass es besser sei, einen Leiter unter den Ältesten zu haben, der als Bischof die Stellvertretung Gottes für die Gemeinde übernimmt.
Damit wurde eine entscheidende Weiche gestellt, durch welche die junge Gemeinde auf den Weg der Institution geführt wurde. Folge davon war die Ausbildung einer Kirchenhierarchie und das Entstehen des Kirchenrechts. Die kirchlichen Ämter waren entstanden – der erste Leiter der Gemeinde wurde Episkopos (Bischof, Aufseher) genannt, die ihm untergeordneten Ältesten waren die Presbyteros (Älteste, Presbyter  Priester), und danach kamen die Diakonos (Diakon = Diener, Bote). Der Bischof war zunächst der Leiter der Gemeinde, unterstützt wurde er von den Priestern und Diakonen. Aus dieser ersten dreistufigen Hierarchie entwickelte sich bis etwa 200 n. Chr. eine vier- , fünf- und sechsstufige: Die örtlichen Bischöfe übernahmen zunehmend die Aufsicht für andere Gemeinden, die aus ihnen entstanden waren, oder sich ihnen angeschlossen hatten. In solchen Fällen wurde eine Person aus der Gruppe der Presbyter als „Priester“ für die Gemeinde bestimmt, er wurde zum Vertreter des Bischofs in der Gemeinde. Der neue Bischoftyp war jetzt nicht mehr lokal tätig, er wurde zum Leiter eines größeren Verwaltungsbezirkes (= Bistum, Diözese). Dieser Bezirk war angepasst an die politische und soziale Struktur des Römischen Reiches, er umfasste meist eine größere Stadt und die umliegenden Dörfer. In jeder römischen Provinz gab es mehrere solcher Diözesen, die später in „Erzdiözesen“ zusammengefasst wurden und von ranghöheren Metropolitan- Bischof beaufsichtigt wurden. Am Anfang des 4. Jahrhunderts treten dann in Rom, Alexandria und Antiochia so genannte Patriarchen (Obermetropoliten) mit hoher Entscheidungskompetenz auf. Später kamen die Patriarchate in Jerusalem (451) und Konstantinopel dazu.


Richard Schutty

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