Samstag, 23. August 2008
Individualität und Gemeinschaft
Das Gegenteil von Individualität ist nicht Gemeinschaft sondern Uniformität. Positiver Individualismus schließt nicht die Gemeinschaft aus sondern braucht die Gemeinschaft. Dieser Individualismus ist ein gleichwertiger Gegenpart zur Gemeinschaft und gehört mit ihr zusammen. Die beiden ergänzen sich gegenseitig und sind zwei Teile der menschlichen Natur. Der gesunde Mensch trägt in sich den starken Wunsch nach Individualität und nach Gemeinschaft. Doch das richtige Miteinander mit den eigenen Wünschen in Einklang zu bringen und die gute Balance zwischen beiden Bedürfnissen zu finden, wird dem Menschen nur gelingen, wenn er gleichzeitig eine Anbindung an Gott verfolgt. Die Gefahr besteht, wie auch in anderen Bereichen des Lebens, dass wir in eine Polarisierung hineindriften. Das geschieht immer dann, wenn wir der Gemeinschaft den Individualismus gegenüberstellen und das eine oder das andere überbewerten. Beides hat seine Berechtigung innerhalb menschlicher Existenz und braucht die Ausrichtung auf Gott, um sich positiv zu entwickeln.

Das Liebesgebot der Bibel, das Jesus für uns formuliert hat, bezieht sich auf diese drei Bereiche unseres Lebens: Die Liebe zu Gott, die Liebe zu dem Nächsten und die Liebe zu uns selbst. Das lesen wir in Lukas 10 27:
„Er aber antwortete und sprach: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Verstand und deinen Nächsten wie dich selbst."
Das eine ist direkt mit dem anderen gekoppelt und alle drei sind voneinander abhängig. Den Anfang hat Gott gemacht, er hat uns so sehr geliebt, dass er seinen Sohn für uns gab – niemand hat größere Liebe. Wenn ich diese Liebe Gottes in mein Leben aufnehmen kann, dann macht sie mich fähig zur gesunden Selbstliebe. Meine vernünftige Reaktion darauf ist, dass ich diese Liebe Gottes erwidere, Gott wartet darauf. Wenn ich auf diese Weise Gott und mich selbst liebe, dann kann ich auch den Nächsten wirklich lieben, weil ich aus einer Sättigung meiner Selbst schöpfe und geben kann und nicht nehmen muss. Zur echten Nächstenliebe werde ich nur fähig, wenn ich aus der Liebe Gottes schöpfe, weil unser eigenes Liebesvermögen sehr schwach ist. Wenn ich den Nächsten nicht liebe, dann liebe ich Gott nicht, weil seine Liebe nicht nur mir gilt, sondern auch meinem Nächsten. Gott wird uns durch seine Liebe fähig machen, zuerst Liebe zu geben und nicht zuerst empfangen zu wollen. Darin liegt die Antwort auf die meisten unserer zwischenmenschlichen Probleme. In unserer Natur liegt es, dass wir darauf warten zuerst geliebt zu werden, was berechtigt ist, solange dieses Verlangen auf Gott ausgerichtet ist und wir wissen, dass Gott uns diese Liebe nicht vorenthalten hat. Sobald wir jedoch diese Liebeserwartung zuerst auf Menschen fokussieren, werden wir früher oder später enttäuscht und gehen leer aus. Darin liegt ein Geheimnis des Lebens verborgen, das in der Bibel so formuliert wird:
„Wer sein Leben zu retten sucht, wird es verlieren; und wer es verliert, wird es erhalten“(Luk. 17,33).
Wenn wir bereit sind nicht Liebe von anderen zu erwarten, sondern zuerst dem anderen Liebe zu geben, dann werden wir durch dieses Gesetz gesegnet, Gott wird dafür sorgen, dass wir reichlich mit Liebe ausgestattet werden und keinen Mangel haben. Paulus drückt dieses Gesetz mit folgenden Worten aus: „Geben ist seliger als Nehmen“ (Apg.20,35).

Problem ist oft, dass es Menschen gibt, die nicht fähig sind, den Liebesvorschuß Gottes so empfangen zu können, um Liebe frei weitergeben zu können. Der Zugang zu Gott scheint blockiert zu sein, so dass die Liebesenergie, die von Gott schon gegeben ist, die Person nicht erreichen kann. Sie scheint eingeschlossen oder zugemauert zu sein und damit unempfänglich für Gottes Liebe. Es gibt Menschen, die aufgrund negativer und böser Erfahrungen in der Vergangenheit ihr Leben so verschlossen und verbarrikadiert haben, die Liebe Gottes, die ausgegossen ist durch den Heiligen Geist prallt an ihnen ab, sie fließt wie Wasser über einen Stein, ohne das Innere aufweichen zu können. Das geschieht mehr oder weniger bei vielen Menschen und es bedarf einer besonderen Einwirkungskraft. Da viele dieser Menschen auch grundsätzlich Probleme haben, an einen unsichtbaren und liebenden Gott zu glauben, bedürfen sie eines sichtbaren Zeugnisses. Wer die Liebe Gottes erfahren hat, kann dieses Zeugnis für andere sein, das ist die Basis des Missionsauftrages an der Welt, aber auch die Bedingung für eine gute Liebesgemeinschaft in der Gemeinde. Gott hat uns den Auftrag geben zuerst zu lieben und den Menschen zu helfen, dass sie durch uns diesen Liebesbeweis Gottes erleben. Wir sind Gottes Beauftragte in Sachen Liebe.

ric

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